Nun ja, so leicht kam ich dann doch nicht davon. Aus der Nasennebenhöhlenentzündung wurde eine Mittelohrentzündung, die dann mit einem Antibiotikum behandelt wurde, welches ich nicht vertragen haben, deswegen am nächsten Tag ein anderes Antibiotikum und ein Besuch in der Notaufnahme, weil der Tinitus und Gehörverlust doch bemerkenswert stark war, die mich dann aber wieder nach ein paar Tests nach Hause geschickt haben, nur um mich 4 Tage später wieder zu sehen, da die Mittelohrentzündung unter dem Antibiotikum nicht besser wurde, sondern schlechter, weswegen die Oberärztin dann doch veranlasste mir einen Schnitt und ein Röhrchen ins Trommelfell zu verpassen und mich dann stationär aufzunehmen, um mir 3 Tage lang intravenös zwei Antibiotika und 240 mg Cortison zu verabreichen, kurz:
Der ganz normale Wahnsinn, wenn man immunsupprimiert ist und sich eine Erkältung einfängt.
Der ganz normale Krankenhauswahnsinn. Wahnsinnig herzliche und doch vollkommen überlastete Pfleger*innen, Ärzt*innen die die mangelnde Patientenzeit durch double-time versuchen wett zu machen, meckernde Patient*innen, genauer: meckern übers Essen, meckern über die Sauberkeit, meckern über die Pfleger*innen, meckern über die Betten, die Schränke, den Fernseher, immer meckern über Assistenzärzt*innen, aber nie über Oberärzt*innen und dann natürlich meckern über Licht an, Licht aus, Fenster auf, Fenster zu, Heizung an, Heizung aus, Tür auf, Tür zu. Ein Problem das ich nicht mehr habe, denn: ich musste vor zwei Stunden das Zimmer wechseln (ich könnt nicht mal sagen, dass ein Zimmerwechsel innerhalb der ersten 24 Stunden ein neuer Rekord wäre) und komme somit jetzt in den Genuss eines Einzelzimmers, womit sich mein Meckerkonto um Minus Eins reduziert, denn innerlich, ohne dass ich mir die Blöße gegeben habe, dass irgendwer mitbekommen hat, dass auch ich bloß ein meckernder Patient bin, habe ich derbe laut über den mangelnden Schlaf der letzten Nacht gemeckert: wer macht denn bitte um 4:45 Uhr das Licht an und fängt dann an sich zu waschen? Dieselbe Person eben, die um 21:30 Uhr über mein Leselicht meckert. Zwischenmenschliches Gedöns eben, über das ich heute Nacht nicht meckern muss. Heute Abend werde ich mir gemütlich angucken, wie Maischberger Friedrich Merz auseinander nimmt und dabei genüsslich eine Packung Chips fressen, nur um dann um 22:50 mir nochmal Maischberger reinzuziehen, obwohl ich eigentlich todmüde bin, denn Tschuldigung, aber egal ob Krankenhaus oder nicht, aber Greta Thunberg bei Maischberger, ich kann und will an dieser Stelle nicht hinterfragen warum, ist einfach irgendwie Pflichtprogramm und jetzt wo ich ein Einzelzimmer habe und Fernsehen sogar inzwischen kostenlos ist, kann und werde ich mir das geben und ich muss sagen, ich bin gut drauf, die Verzweiflung ist von mir gewichen und hat Platz gemacht für Hoffnung.
Doch an diesem Punkt, und ich warne vor Enttäuschung, muss gesagt werden, dass die Kombi Maischberger-Thunberg-Merz nicht ursächlich für meine aufwallenden Gefühle der Hoffnung sind, sondern der ganz normale Krankenhauswahnsinn:
Ich darf nämlich morgen früh um 7 wieder nach Hause gehen. Wurde mir heute in der Visite mitgeteilt. Mit Sack und Pack und Röhrchen im Trommelfell. Und wenn ich das möchte, dann kann ich auch mit dem Röhrchen zur Arbeit gehen. Und den zwei Antibiotika und dem Cortison. Und ’nem speziellen Gehörschutz für Handwerker. Und nichts schweres Heben! Und fermentiertes Sauerkraut für die Darmflora besorgen! Und das nächste Mal, wenn ich ’ne Nasennebenhöhlenentzündung hab, soll ich direkt ein Antibiotikum nehmen. Na, und wenn die Entzündung raus ist und meine Gehörleistung wieder hergestellt, dann wird das Röhrchen ambulant entfernt. Aber bis dahin kann ich mit meinem Röhrchen zur Arbeit gehen.
Was soll ich sagen. Das klingt für mich wahnsinnig. Und macht mich wahnsinnig glücklich. Und so habe direkt erstmal, wie die Wahnsinnige die ich halt irgendwie auch bin, an meinen Chef geschrieben und vorgeschlagen, dass ich am Freitag in die Firma komme und meine Arbeitslatzhosen abhole. Und nicht meine Kündigung. Meine Arbeitslatzhosen! Was anderes als meine Arbeitslatzhosen wird nicht angenommen. Ich gehe in die Firma, alle werden beeindruckt sein, gerade noch im Krankenhaus und immer noch nen Röhrchen im Trommelfell und heute schon wieder in der Firma. Und dann werde ich am Montag meine Arbeitslatzhose anziehen, meinen Gehörschutz in die Ohren packen und einen Schubriegel herstellen.
„Watt sachst du?…wie bitte? du, ich hör nix, hab nen Gehörschutz drin- Loch im Trommelfell und so… und ehrlich gesagt, bin ich auch gerade ziemlich beschäftigt mit der Herstellung meines Schubriegels, ik werd jetzt mal mal weiterbohren, wa.“
So eben und nicht anders. Weeste bescheid.