Es ist Tag der Deutschen Einheit, ich sitze mit einem Tee im Bett, habe inhaliert, Echinazea, Grippostad C, Sinupret und Gelomyrtol genommen, es ist amtlich: ich bin das erste Mal seit Beginn meiner Ausbildung krank. Seit nunmehr 8 Tagen liege ich im Bett, Nasennebenhöhlenentzündung und Erkältung und es sieht nicht so aus, als ob ich morgen wieder bereit wäre zur Arbeit zu gehen. Das ärgert mich. Nicht nur bin ich in der Probezeit krank geworden, ich bin sogar in den ersten 28 Tagen meines Vertrags krank geworden, so dass die Lohnfortzahlung aussetzt und ich Krankengeld bekomme. Na gut, genau genommen bekomme ich seit dem 29. wieder meinen Lohn, weil die Sonderregelung nur für die ersten 28 eines neuen Vertrags gilt. Trotzdem.
Und wenn es wenigstens Corona wäre. Wenn ich Corona hätte, würde ich von meinen Mitarbeitern und Vorgesetzten Verständnis erwarten, bei einer Erkältung ist das anders. Vor allem wenn diese Erkältung länger als 7 Tage dauert. Aber ich mache einen Test nach dem anderen und sie sind mehr als negativ, sie sind super negativ. So wie meine Stimmung. Und das ist das eigentliche Problem. Denn ich werde nicht gesünder davon, dass ich mir Vorwürfe mache oder mir die Schuld für meine Lage zuweise. Und überhaupt: welche Lage? Ich bin halt krank. Der Herbst hat begonnen und ich bin krank. Die Schlange vor der Apotheke war endlos und in den Nachrichten ist auch ständig von der neuen Coronawelle zu lesen. Sowas kommt vor. Das ist ganz normal und geht auch wieder vorbei. Keiner macht mir einen Vorwurf dafür. Entspann dich, lehn dich zurück, geh morgen nochmal zum Arzt und lass dich so lange krankschreiben, wie du eben krank bist. Seit gut zu dir selbst und alles wird wieder gut.
Gebetsmühlenartig wiederhole ich dieses Mantra, denn was für die meisten ganz normal erscheint, entspricht für jemanden der chronisch krank ist nicht unbedingt der Erfahrung und für jemanden der immunsupprimiert ist schonmal gar nicht. In der Vergangenheit bedeutete der Beginn einer Krankheit oft das Ende meiner Ausbildung. Als ich beispielsweise 2017 meine Ergotherapieausbildung begann, bekam ich gleich zu Anfang der Ausbildung einen Schub und wurde knapp vier Wochen nach Beginn der Ausbildung in ein Krankenhaus eingeliefert. Es war ein schwerer und widerspenstiger Schub, so dass ich im darauf folgenden Jahr viel Zeit im Krankenhaus oder Zuhause verbringen musste und nach einem Jahr hatte ich zuviele Fehltage gesammelt, um meine Ausbildung erfolgreich zu beenden. Oder 2019 als ich eine viermonatige Weiterbildung zur Yogalehrerin begann und von Anfang an eine Erkältung hatte. Bei Autoimmunkrankheiten ist es so, dass das Immunsystem den Körper schädigt und um diese Krankheiten zu behandeln, erhält man Medikamente, die das gesamte Immunsystem schwächen, sogenannte Immunsuppressiva, was dazu führen kann, dass der Körper länger braucht, um einfache Krankheiten, wie eine Erkältung beispielsweise zu bekämpfen. Die Erkältung mit der ich die Yogalehrerweiterbildung begann, zog sich über 12 Wochen hin, so dass ich die Weiterbildung nach 2 Monaten abbrach.
Insofern kann man sicherlich erstmal verstehen, warum ich einer simplen Erkältung mit einem leichten Anflug von Panik begegne. Aber (und es ist ein großes aber): die Umstände sind andere und (und das ist ein großes und) das Narrativ mit dem ich über die vergangenen Erkrankungen berichte ist ein einseitig beleuchtetes. Hätte ich die Ergotherapieausbildung wieder aufnehmen wollen, hätten mir die Türen offen gestanden, aber was folgte waren ein paar Jahre freien Falls in denen ich für eine berufliche Ausbildung definitiv nicht bereit gewesen bin. Statt mir die Zeit zu nehmen, gesund zu werden, habe ich versucht eine berufliche Ausbildung mit Gewalt durchzuboxen, während ich aber gleichzeitig an meiner Krankheit verzweifelt bin und das hat natürlich nicht funktioniert. Heute ist das anders. Zum einen habe ein Medikament was gut wirkt und wenig Nebenwirkungen zeigt und mein Chef weiss von meinen Erkrankungen. Ich habe diese von Anfang an offen und ehrlich kommuniziert und er hat sich bereit erklärt, meine Erkrankung mit zu tragen, also beispielsweise die Ausbildung zu strecken, gemäß dem Falle, ich sollte mal länger wegen eines Schubs ausfallen. Das ist ein ganz anderer Ausgangspunkt für meine Ausbildung als in der Vergangenheit. Zum anderen weiss ich heute mit einer Erkältung umzugehen. Sinupret, Gelomyrtol, Grippostad C, Inhalieren, Baden, Spazieren, Rotlichtlampe, Schlafen und wenn es gar nicht besser wird und ich meine Immunkrankheiten gut im Griff habe, kurzzeitig das Immunsystem im Echinazea boostern. Und für den Rest heisst es eben, abwarten und Tee trinken. Und natürlich den kleinen Hund streicheln.