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geschlechterstereotype sexismus stereotypisierung

chauvi-Spruch des Tages #1

„Na, das kann natürlich sein, dass du als Frau das Bohrfutter nicht richtig festgemacht kriegst. „

meister in der ausbildungswerkstatt

Es ist Woche 2 meiner Ausbildung. Metallbearbeitung steht auf dem Programm, ich stehe an der Bohrmaschine, der Bohrer bleibt im Werkstück stecken- schon wieder. Ich also zum Meister , der gerade den neuen Azubis erklärt, was ’nen Messchieber ist: „Entschuldigung, können Sie mir mal bitte helfen, der Bohrer bleibt immer stecken.“. Der Meister, alles klar, kein Problem, guckt sich den Bohrer an, die Neuen gucken sich den Meister beim Arbeiten an, der Meister dreht das Bohrfutter fester, der Bohrer dreht sich, alles tippi-toppi. Ich so: “ Ahhh, ok, war einfach ein bisschen lose!“. Der Meister nickt verständnisvoll und bringt den chauvi-Spruch des Tages #1 an den Start: „Na, das kann natürlich sein, dass du als Frau das Bohrfutter nicht richtig festgemacht kriegst.“ Ich guck den Meister an, ich guck die Neuen an. Der eine, nennen wir ihn Peter, 17 Jahre und noch jugendlich schlaksig, wiegt bestimmt 20 Kilo weniger als ich. Verständnislos guck ich den Meister an, der mich nur noch von hinten anguckt, weil der sich wieder den neuen Azubis zugewandt hat- für den Meister ist die Sache damit hinreichend geklärt und alles tutti. Für mich eher weniger. Ich merke wie die Wut in mir hochkocht, also erstmal raus stürmen, erstmal beruhigen, erstmal sortieren.

Draußen treff ich meine Kollegin, nennen wir sie Anne. Anne sagt: „Na, da musst du gleich nen Spruch zurück kloppen. Ich hätte gleich sowas gesagt, wie ‚Na, das hat ja wohl nix damit zu tun, dass ich eine Frau bin.‘. Da musst du immer gleich kontern.“

Ich sehe das irgendwie anders- glaube ich. Ich will nicht mein Leben damit verbringen, sexistische Sprüche zu kontern, ich will dass die sexistischen Sprüche ein Ende haben. Denn natürlich ist das nicht der erste sexistische Spruch der mir im Ausbildungszentrum um die Ohren fliegt. Wenn ich ehrlich bin, passiert das eigentlich seit Tag 1 jeden Tag mindestens einmal. Dabei ist das meistens so verdrehter Sexismus, wo es nicht darum geht, die Schwächen von Frauen rauszustellen, sondern die vermeintlichen Stärken, sowas in der Art wie

„die Frauen sind ja auch eher ’nen bisschen reinlicher und waschen sich zwischendurch mal die Hände“

sprach der Meister

oder wir eben genauer arbeiten, sorgfältiger, nicht so grobschlächtig und was weiß ich nicht alles. Geschlechterstereotypisierungen eben. Im Grunde vermutlich nett gemeint. Ein Versuch mit „uns Frauen“ eine Verbindung aufzubauen, damit wir uns wohl fühlen. Und deswegen habe ich das einfach so laufen lassen. Habe vielleicht mal ein „Na ich würd nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass Frauen im Allgemeinen so super reinlich sind.“ fallen gelassen und die Sache ansonsten auf sich beruhen lassen. Bis zu dem Moment, als der Meister mir eben eine Geschlechtsstereotypisierung präsentiert hat, die mich in der Rolle des schwachen Geschlechts drängt und da war bei mir die Grenze überschritten. Aber ist nicht Grunde ist eben jede Geschlechtsstereotypisierung sexistisch, weil sie mir einen bestimmten Platz zuweist und der ist bestimmt nicht in einer Metallwerkstatt als Azubine der Mechatronik. Der ist eher irgendwo, wo es sauber ist, beim sticken oder so. Ich will aber nicht sticken, ich will auf Metall rumkloppen und Stromkreise bauen.

In dem Sinne, ziehe ich für mich heute zwei Schlüsse aus dem Erfahrenen. Zum einen habe ich hiermit eine neue Rubrik geschaffen, nämlich den „chauvi-Spruch des Tages“, in der Hoffnung so sensibler für die verschiedenen Facetten von Sexismus zu werden, indem ich mir die alltäglichen sexistischen Kommentare und ihre Tragweite bewusst mache.

Zum anderen steht Kommunikation auf dem Tagesplan.

Nachdem ich mich beruhigt habe und unter vier Augen suche ich das Gespräch mit dem Meister. Ich erkläre ihm, dass ich mich sehr unwohl durch den Kommentar gefühlt habe. Dass ich das Bohrfutter vielleicht nicht richtig zugedreht habe, weil ich eben ein Lehrling in der dritten Woche bin und noch kein Gefühl für dafür habe. Das dies aber nichts damit zu tun hätte, dass ich eine Frau bin und dass ich auch nicht schwächer wäre, als manch anderer, männlicher Kollege und ich sehr dankbar wär, wenn meine Leistung nicht auf mein Geschlecht bezogen würde. Der Meister zeigt sich bestürzt und verständnisvoll, das wäre ihm gar nicht bewusst gewesen, er wolle doch, dass sich alle wohl fühlen und würde versuchen in Zukunft darauf zu achten. Auch ich zeige mich verständnisvoll, ich wisse ja auch, dass das nicht böse gemeint gewesen wäre, aber ich dachte es wäre eben besser, wenn ich das doch nochmal anspreche, weil wir uns ja auch alle wohl fühlen sollen. Wir sind uns einig, wünschen uns einen schönen Feierabend und gehen unserer Wege.

Ich hätte gerne einen schönen Schlussabsatz für den Text. So was wie: „Und am Ende bleibt halt der Weg das Ziel.“ oder: „denn auch aus Steinen, die einem auf den Weg gelegt worden, kann man schönes bauen.“ Aber irgendwie will nichts so wirklich passen. Aber vermutlich liegt das in der Natur der Sache. Denn dies ist eben der Beginn einer neuen Rubrik und nicht das Ende einer Geschichte.